Eine (hoffentlich) kurzweilige Geschichte aus dem Leben. Von Freunden und deren Freunden, die einander helfen. In den Hauptrollen: Teo, Mario und ich. Ort des Geschehens: Guatemala City. Es geht um: Kaffee, Beziehungen, Zufälle und Fisch. Zuviel davon. Und das ist doof. Aber mal der Reihe nach...
Cup of Excellence Guatemala 2017
Nach Honduras und Brasilien war ich 2017 in Guatemala als internationaler Juror für Cup of Excellence unterwegs. Dort habe ich (natürlich zusammen mit anderen Juroren aus aller Welt) die besten Kaffees des Landes gesucht, verkostet, gefunden und prämiert. Diese Verkostungen dauern jeweils mehrere Tage und die Kaffees werden mehrfach immer wieder degustiert, falls sie von Runde zu Runde weiterkommen. Es gibt Kaffees, die sind so einzigartig, dass ich sie in jeder Runde wieder erkenne, wenn sie mir in der Tasse erneut begegnen. Das war hier auch der Fall: Ein einzigartiger Kaffee mit viel Geschmack nach Grüntee, exotischen Früchten, Apfel, Cognac. Sehr süss und zugleich leicht und spritzig. Sehr klar. Leider war dieser Kaffee zu dem Zeitpunkt nur eine Nummer für uns, da wir immer blind verkosten. Runde für Runde habe ich mich ab diesem Kaffee gefreut. Letztendlich hat er es auf Rang 18 mit einer Bewertung von 86.64 (aus 100) geschafft. Für mich persönlich war es der beste Kaffee in Guatemala in diesem Jahr.
An den Rangverkündigungen und beim Treffen mit den Kaffeebauern, welches vor der Schlusszeremonie stattfindet, habe ich Teo Engelhardt flüchtig kennengelernt. Teo hat meinen Lieblingskaffee produziert. Leider hatten wir kaum die Gelegenheit über den Kaffee zu sprechen. Ich hätte Teo gerne von seinem Kaffee vorgeschwärmt. Wie sehr mir sein Kaffee geschmeckt hat. Wie fasziniert ich bin. Eine solche Rückmeldung direkt aus dem Mund eines CoE-Jurors zu erhalten wäre für Kaffeebauern sehr wichtig und motivierend. Auch für mich als Jurymitglied wäre es wunderschön gewesen ein solches Lob weitergeben zu dürfen. Leider war es an der Zeremonie nicht möglich. Zuviele wollten etwas von Teo. Dumm gelaufen.
Freunde kennen Freunde kennen Freunde...
Der Vorteil ein Jury-Mitglied zu sein liegt auch darin, dass man ein Kaffeemuster vor Ort ergattern kann. Noch bevor andere Röster den Kaffee in die Hände bekommen. Gedacht, gefragt und erhalten. Mein Muster sollte mit mir in die Schweiz kommen. Am Tag nach der Abschlusszeremonie von Cup of Excellence waren wir (André Strittmatter, mein langjähriger CoE-Partner - den ich übrigens schon viel zu lange nicht mehr gesehen habe - und ich) auf dem Weg raus aus Guatemala City. Wir fuhren im Pick-Up meines befreundeten Kaffeebauern Mario Alarcon Meléndez Richtung Antigua und danach zu seiner Plantage Monte de Oro. Ich habe Mario von der Zeremonie erzählt und natürlich auch vom tollen Kaffee von Teo Engelhardt und seiner Plantage La Florida. Marios Reaktion: "Ich kenne Teo. Er ist ein Freund von mir. Wollen wir ihn anrufen?". Ja was jetzt? Zufälle gibt's... Gesagt, getan. Eine Minute später hatten wir Teo am Telefon. Ich konnte ihm endlich sagen wie toll mir sein Kaffee geschmeckt hatte und dass ich mich darauf freue, sein Kaffeemuster in der Schweiz erneut zu degustieren. Ich konnte mir gut vorstellen den Kaffee bei der Auktion von Cup of Excellence zu ersteigern oder es zumindest zu versuchen. Dieses Gespräch mit Teo war ein toller Zufall. Ein kleine Kaffeewelt. Dank meiner langjährigen Beziehung zu Mario und meinem Besuch in Guatemala lernte ich also Teo erneut kennen. Ich erfuhr von den Problemen auf der Plantage von Teo, die tiefen Temperaturen aufgrund der hohen, exponierten Lage, die oftmals zu hohe Luftfeuchtigkeit, der langsame Trocknungsprozess etc. Alles war super und faszinierend. Ich mochte Teo und seine Geschichte. Zeit den Kaffee in die Schweiz zu holen. Jawoll!
Zurück in der Schweiz kommt die Ernüchterung
Im Mai 2017, nach Cup of Excellence, stand ich in unserer Rösterei und habe von Teos Kaffee geschwärmt. Mein Rösterkollege Michi Otte und ich haben den Kaffee nochmals verkostet. Der Kaffee schmeckte super! Mir jedenfalls. Michi nicht. Gar nicht. Für mich war es Grüntee mit Fruchtsaft ohne Ende. Einzigartig. Für Michi war's Fisch. Fisch will man nicht im Kaffee. Gar nicht. Also haben wir diskutiert was wir tun sollen und wollen. Ich konnte Michis Wahrnehmung nachvollziehen. Das Risiko war uns letztendlich zu gross, dass unsere Kunden auch Fisch schmecken würden. Also haben wir den Kaffee nicht gekauft. Das war hart für mich. Ich hätte so gerne diesen Kaffee bei mir gehabt. Aber die Vernunft hatte gewonnen. Kein La Florida in der Kafischmitte im 2017.
2018 und 2019 hatten wir Teo etwas vergessen. Wir waren gut versorgt mit viel Kaffee und hatten keinen Bedarf nach einem anderen Kaffee eines "neuen" Kaffeebauern in unserem Sortiment. Wir arbeiten ja eigentlich immer nur mit einem einzigen Kaffeebauern pro Land. Dafür aber langfristig, ehrlich und sehr freundschaftlich.
2020 - La Florida im Emmental!
2020 - Das Coronajahr. Unsere Kaffeebauern waren zum Teil gezwungen Ihre Ernte schneller zu verkaufen als ihnen lieb war. So wurden zum Teil Kaffees an Käufer verkauft, die "alles oder nichts" gefordert haben. So nach der Mentalität "friss oder stirb". Das ist natürlich eine schwierige Situation für Kaffeebauern mit langjährigen Beziehungen zu Röstern. Wir als Kleinröster wollten den Kaffeebauern aber keine Steine in den Weg legen. Die Folge war, dass wir Kaffees nicht kaufen konnten, die wir gerne gekauft hätten und über Jahre fest in unserem Sortiment waren (Finca Santa Teresa aus Panama ist so ein Beispiel). Das schaffte auf einmal Raum für neue Kaffees. Bloss welche? Ich kontaktierte Mario in Guatemala über Whatsapp im Mai 2020. Mario hat neben seiner Plantage noch eine Exportfirma (Truth Trading) für Rohkaffee. Wir suchten einen Kaffee, ungewaschen/natural. Nicht zu extrem. Klar im Geschmack, fruchtig, exotisch und solide Qualität. Einfach ein toller, "gmögiger" Kaffee. Nicht das moderne, hippe Zeugs sondern bewährte Ware mit viel Geschmack und Charakter.
(Hier rechts könnt Ihr nachlesen, was ich mit Mario geschrieben habe. So läuft das, so macht Kaffee Spass! Ihr dürft übrigens bei Eurem Röster der Vertrauens ruhig mal nachfragen wer alles solche Nachrichten direkt auf die Plantage schickt. Das werden nicht viele sein. :-))
Gut, auf jeden Fall hat uns Mario einen Restposten von Teos Kaffee angeboten. Pacamara Natural. Zum Preis von USD 4.50 pro 453 Gramm. Dazu noch mit einem Geschmacksprofil, das wir gesucht haben und einem Score von 87.50 (darauf geben wir allerdings nicht viel). Kurz darauf habe ich verschiedene Muster erhalten. Darunter eben auch Teos Kaffee. Erneut haben wir zackig alles geröstet und blind degustiert. Wir haben gehofft, dass uns Teos Kaffee schmecken würde und "Tadaaa" war es so. Es war der beste Kaffee auf dem Tisch. Daraufhin haben wir bei Mario 5 oder 6 Sack eingekauft und den Preis zudem auf USD 5 pro 453 Gramm erhöht.
Nachdem alles geregelt war wurde der Kaffee zusammen mit demjenigen von Mario (Monte de Oro) zum Export vorbereitet und ein paar Wochen später verschifft Richtung Frankreich.
Dieses Beispiel zeigt wie wunderschön Kaffeehandel sein kann. Es gibt sie. Die freudigen Zufälle. Alle gewinnen Teo, Mario, wir und unsere Kunden. Denn der La Florida ist zurzeit der beliebteste Kaffee in unserem Sortiment. Zusammen mit dem Monte de Oro. Die Guatemala-Connection sozusagen. Wir sind sehr glücklich darüber. Gemeinsam mit Teo und Mario wollen wir die Zusammenarbeit in den kommenden Jahren noch verstärken. Unsere Kaffees aus Guatemala sind erstklassig. Sie kommen mit der Freundschaft und dem Charakter des Kaffeebauern. In dem Fall mit der Leidenschaft von Teo Engelhardt und Mario Alarcon Meléndez. Und mit Zufall.
So guet! :-)
Danke für das ausdauernde Lesen! Rückmeldungen oder einfach Eure Gedanken sind übrigens ausdrücklich erwünscht. Sehr gerne per Mail oder einfach in die Kommentare unten. Ich freue mich darauf!
Bleibt bitte zufrieden und gesund!
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Mathias (Montag, 08 Februar 2021 20:52)
Tolle Geschichte! Macht spass in diese einzigartige Kaffeewelt einzutauchen.
Am Ende der Gechichte ist für mich nicht ganz klar, ob Teo's jetzt immer noch den Geschmack nach Fisch hat?;-)
Wenn nur alle so handeln würden wie Ihr das macht, dann hätten wir wahrscheinlich weniger, dafür aber viel, viel bessere Qualität. Ich denke dabei nicht nur an Kaffee.
Alles Gute und bis zur nächsten Bestellung.
Liebe Grüsse
Mathias
Roger Wittwer / KAFISCHMITTE (Montag, 08 Februar 2021 21:46)
Hoi Matthias, danke für die netten Worte. Die nehme ich natürlich sehr gerne entgegen! Zu Deiner Frage: Nein, der Kaffee hat nicht mehr denselben Geschmack. Der damalige Grüntee-/Fischgeschmack ist beim aktuellen La Florida nicht vorhanden.
Liebe Grüsse aus der Rösterei
Roger